Eindrucksvolle Impressionen vom Orient
Kulturkreis hatte den deutsch-syrischen Schriftsteller Suleman Taufiq zu Gast
Saaldorf-Surheim. Einen Hauch von Orient vermeinte man im Surheimer Kulturkeller zu spüren, als der deutsch-syrische Schriftsteller Suleman Taufiq auf Einladung des Literaturkreises im Kulturkreis aus seinem neuesten Roman „Café Dunya: Ein Tag in Damaskus“ las. Hochinteressant verlief die anschließende Diskussion, konnte der Autor doch sehr feinfühlig die Unterschiede zwischen westlicher Mentalität und orientalischer Lebenswelt herausarbeiten. Die Lesung war gleichsam Abschluss und Höhepunkt eines Semesters, in dem sich der Literaturkreis intensiv mit dem Land Syrien und seiner Literatur beschäftigt hatte.
Unter den über 60 Besuchern konnte Franziska Hofbauer-Ott im Namen des Kulturkreises auch zahlreiche syrische Gäste begrüßen. Auf das Semesterthema „Literatur aus dem Nahen Osten“ zurückblickend, resümierte sie: „Es war sehr spannend, ständig mit zwei Welten konfrontiert zu sein, einmal mit der schillernden, bezaubernden Welt der Literatur, die uns Syrien zeigt und zum anderen mit der harten Realität der Fernsehbilder und der Menschen, die zu uns geflohen sind.“ Helga Castellanos, selbst erfahrene Autorin und Leiterin des Literaturkreises, begrüßte den Gast: „Damaskus, Herr Taufiq, war uns vor einem halben Jahr noch fremd und unbekannt. Aber jetzt kennen wir uns schon aus in Damaskus. Die Stadt mit ihren Menschen ist uns beinahe vertraut. Wenn sie uns jetzt nach Damaskus führen, werden wir also ein Wiedersehen mit Vertrautem feiern. Auf Anhieb vertraut schienen die Besucher mit Suleman Taufiq gewesen zu sein. Der gemütliche ältere Herr mit Schnauzbart und wallendem Seitenhaar, der da auf der Bühne im kleinen-feinen Kulturkeller am Lesetisch saß, strahlte eine hintergründig-verschmitzte und einnehmend sympathische Art aus. Mit seinen ersten Sätzen verstärkte sich dieser Eindruck noch: „Ich bin heute das erste Mal in Bayern, aber ich habe gelesen, dass die Bayern aus dem Orient stammen.“ 1953 in Beirut geboren und in Damaskus aufgewachsen, kam Suleman Taufiq 1971 nach Deutschland, wo er Philosophie und Komparatistik (vergleichende Literaturwissenschaft) studierte. Seit 1986 lebt er als freier Schriftsteller und Publizist mit seiner Familie in Aachen. Der Autor hat sich als Lyriker, Erzähler und Übersetzer arabischer Literatur einen Namen gemacht und auch Radiohörspiele geschrieben. „Man fragt mich manchmal, warum ich Schriftsteller bin und ich antworte, dass ich nichts anderes gelernt habe als das Schreiben“, sagte er. Dass Taufiq dieses Handwerk allerdings perfekt beherrscht, stellte er mit Leseproben aus seinem Ende 2015 erschienenen Roman „Café Dunya: Ein Tag in Damaskus“ eindrucksvoll unter Beweis.
Im Mittelpunkt der Erzählung steht ein noch junger Mann, der nach Jahren in Europa erst seit kurzem wieder in seinem Heimatland lebt und scheinbar ziellos durch die Gassen von Damaskus streift. Dabei nimmt er die Spur einer schönen Frau auf, die er im Bus gesehen hat und von der er glaubt, dass sie ihm ein Zeichen gegeben habe. Dabei gerät er in ein traditionelles Stadtviertel und nimmt Platz im Café Dunya. Das „Dunya“ in Damaskus erweist sich als Treffpunkt einer illustren Gästeschar. Während der Tag verstreicht, gehen hier die Dichter und die Händler, die Bauern und die Intellektuellen, verschrobene Gestalten und weise Männer ein und aus. Mit Humor und Sympathie beschreibt Suleman Taufiq die Menschen im Café: Einen Schuhputzer etwa, der sämtliche Witze der Stadt erfunden haben soll, einen Dichter, der seine Werke mündlich vorträgt und sich dafür einladen lässt, und einen Mann, der sein Haus mit einem Spezialgift mückenfrei gehalten haben, dann aber von einer Riesenfliege getötet worden sein soll. Und die geheimnisvolle Frau, die das Getümmel verschluckt hat? Ja, sie taucht wieder auf und natürlich gibt es auch zu ihr eine verwickelte Geschichte, allerdings nicht an diesem Abend im Kulturkeller. Etwas Spannung sollte schon erhalten bleiben.
Nach der Pause durfte das Publikum den Lyriker Suleman Taufiq erleben, als er einige seiner berührenden und tiefgehenden Gedichte auf Deutsch und Arabisch vortrug. „Der Ängstliche lügt, leidet, schämt sich, schweigt, tötet“, mit diesem nachdenklich stimmenden Gedicht entließ der Schriftsteller seine Zuhörer in die Gesprächs- und Fragerunde. Dass er nicht zu den Ängstlichen gehört, sondern ein Mann der klaren und unmissverständlichen Worte ist, wurde in vielen seiner Einlassungen deutlich. So etwa, wenn er den türkischen Präsidenten Erdogan als „Verbrecher“ und „Faschist“ bezeichnet. „Der hat Syrien zerstört und er wird Europa zerstören.“ Auch zum Umgang mit syrischen Kriegsflüchtlingen bezog Taufiq eindeutig Stellung: „Ich habe großen Respekt vor der Willkommenskultur und der Hilfsbereitschaft der Deutschen. Es muss aber auch deutlich werden, dass bestimmte Werte und Regeln, die in diesem Land gelten, eingefordert werden müssen.“ Wie sich Syrier und Deutsche in Mentalität und Lebensform unterscheiden, wurde gefragt. Suleman Taufiq erklärte, dass in Syrien nicht so sehr das Individuum im Mittelpunkt stehe, sondern in erster Linie die Familie und die Gruppe. „Wenn die Menschen Probleme haben, gehen sie zu Verwandten und sprechen sich aus.“ Es waren viele Themen, die an diesem interessanten und erbaulichen Abend angesprochen wurden. Ein Abend, der sicherlich auch dazu beigetragen hat, Missverständnisse und Misstrauen zwischen den unterschiedlichen Kulturen abzubauen. Und ein Abend, der nicht nur durch den brillanten Erzähler Suleman Taufiq in Erinnerung bleiben wird, sondern auch durch die virtuos-dezenten Gitarren-Zwischenspiele von Max Reubel.
Norbert Höhn